Neue Lernwege in der Förderung der phonologischen Bewusstheit und frühen Entwicklung der Lese-Schreibkompetenz: Lauter bunte Laute zum Hören, Sehen, Riechen, Schmecken und Begreifen
Farben sind ein bedeutsames Element in der kindlichen Erlebniswelt:
Bereits im frühen Kindesalter lernen Kinder nicht nur mit Farben zu malen und zu gestalten, sondern auch, diese mit bestimmten Verhaltensweisen und Informationen in ihrem Alltag zu verbinden. Je nach der Farb-Formkombination von Symbolen wissen sie, wo sie Pommes zu essen bekommen, an welcher Tankstelle der Papa tankt und in welchem Laden die Mama einkauft. Sie wissen, dass in den gelben Kasten die Briefe eingeworfen werden und in die grüne Tonne der Biomüll kommt. Sie haben gelernt, bei „Rot“ an der Fußgängerampel stehen zu bleiben und bei „Grün“ zu gehen. Die Farbe Rot wird dabei mit dem Verhalten „stehen bleiben“ assoziiert und Grün mit „gehen“. So sind farbige Symbole in der Umwelt wichtige „Ankerpunkte“ für ihre Orientierung und Informationsverarbeitung.
Folgerichtig eignen sich Farben als Medium, um Kognition zu ankern und abzurufen. Und genauso wie es möglich ist, eine Farbe mit einem Verhalten zu verknüpfen, ist es ebenfalls möglich eine Farbe mit einem Laut in Verbindung zu bringen. Dabei muss der Kontext einer Laut-Farbassoziation im Bereich der dinglichen Erfahrungswelt der Kinder hergestellt werden, damit die Kinder einen Bezug finden und über diesen Zugang darauf zurückgreifen können:
Der Laut „O“ wird zum Beispiel mit der „Orange“ als Anlautwort in Verbindung gesetzt und wird durch die typische Farbe der Orange in Form eines orangefarbenen Lautpunktes sichtbar gemacht. Die Laut-Farbzuordnung wird dabei auf allen Wahrnehmungskanälen geankert: das Kind kann die Orange sehen, schmecken, riechen, anfassen. Die Orange begegnet ihm im Alltag immer wieder und wird das Kind an das „O“ erinnern. Und das „O“ ist orange, wie die Orange…Das „S“ wie „Sand“ wird selbstverständlich durch einen sandfarbenen Lautpunkt visualisiert und das „F“ wie Frosch natürlich durch einen grünen. Bei der Auswahl der Anlautwörter ist also darauf zu achten, dass ihnen eine typische, signifikante Farbe zuzuordnen ist, die Kinder spontan assoziieren.
Die alljährlichen Eingangserhebungen zu Förderbeginn bestätigten, dass die Farben in Bezug auf vorgegebene Begriffe teils einheitlich und eindeutig spontan assoziiert wurden, weil diese mit signifikanten Farben „belegt“ sind. Je eindeutiger sich ein Kind ein Bild von einem Begriff (Anlautwort) und der begriffsspezifischen Farbe machen kann, desto sicherer wird die Laut-Farbzuordnung gespeichert. Sind aber die Sinneserfahrungen und Kognition bei den Kindern nur unzureichend oder gar nicht vorhanden, bedarf die Lauteinführung anhand dieser Anlautwörter einer besonderen Intensität, um den betreffenden Laut in Form seiner typischen Farbe zu abstrahieren und zu ankern.
Förderschwerpunkt Hören
In einer Vielzahl von Bewegungsspielen lernen die Kinder mit Hilfe bunter Lautpunkte Wörter in Silben zu zerlegen, das Hören von An –In -und Auslauten und ähnlich klingende Laute zu unterscheiden. Sie lernen Laute zu positionieren und erste Lautfolgen zu bilden, die Arbeitsrichtung von links nach rechts zu entwickeln und zeitlich- räumliche Begriffe im schriftsprachlichen Kontext (Sprache in ihrer zeitlich-räumlichen Ordnung) zu verstehen und anzuwenden.
Bewegte Sprache
Farbige Klangbänder, Bälle, Chiffontücher und Schwungtuch helfen beim Lesenlernen zunächst auf „langen Wegen“ Einzellaute zu rekodieren und zu verschleifen. Mit dem Entschlüsseln der farbigen Leseperlen, die in immer kürzere Abstände gesetzt werden und in einem weiteren Schritt mit den Silbenkarten verkürzen sich die „Lesewege“ nach und nach. Mit zunehmender Leseübung sind die Kinder in der Lage, die Lautpunkte immer schneller zu rekodieren, auf einen Blick zu erfassen (simultanes Lesen) und zu einem Wort zu verschleifen. Ohne sich die komplexen Buchstabenformen einprägen zu müssen, lernen die Kinder zunächst mit Hilfe der bunten Lautpunkte zu lesen und die Lautfolgen eines Wortes zu bilden.
So ermöglicht diese Methode den Kindern schon sehr früh durch einen spielerischen Einstieg und „sinn-volle“ Lernmöglichkeiten, einen Zugang zu einer ihnen noch fremden und abstrakten Welt der Laute und Zeichen unserer Sprache zu finden.
Der Transfer: Bunte Buchstaben
Diese einfache Zuordnung von Lauten zu entsprechenden Farben gleicht der Laut-Buchstabenzuordnung, die beim Schriftspracherwerb verlangt wird. Wenn bei den Kindern die Laut-Farbzuordnungen sicher gestellt sind und sie mit bunten Lautpunkten Laute verschleifen und Lautfolgenbilden können, dann ist ein Transfer von den bunten Lautpunkten auf bunte Buchstaben unmittelbar und auf direktem Weg möglich. Dabei lässt sich die Arbeit mit farbigen Buchstaben „nahtlos“ anknüpfen. Alles, was sie zuvor mit bunten Lautpunkten gelernt haben, lässt sich in den Bereich der bunten Buchstaben übertragen.
Anlautwörter in typischer Farbe des Begriffs
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Bei der Übertragung der Laut –Farbverknüpfung auf die Laut-Buchstabenzuordnung wird aus einen roten A-Lautpunkt ein rotes A. So kann das Kind den Laut ganz unmittelbar und direkt seinem Buchstaben zuordnen. Dabei wird die Lautfarbe als Ressource und methodisches Hilfsmittel eingesetzt. Selbstverständlich wird dabei die vorher geankerte Lautfarbe eines Lautpunktes dem entsprechenden, gleichfarbigen Graphem gegeben, damit das Kind den Laut dem Buchstaben direkt und unmittelbar zuordnen kann.
Farbe = Lautklang Form = Buchstabe
farbige Buchstaben = klingende Formen
klingende Formen = Phonem-Graphemzuordnung
Förderschwerpunkt Sehen
Der Übergang von den bunten Lautpunkten zu bunten Buchstaben lässt sich in der Praxis mit Hilfe bunter Knetkugeln, die „in Form gebracht werden“ sehr anschaulich umsetzen. Eine weitere Brücke sind die Schriftzeichen, denen die Kinder in ihrem Umfeld täglich begegnen: Das grüne „H“ an der Haltestelle, das pinke „T“ an der Telefonzelle und das weiße „P“ auf blauem Schild für Parkplatz . Nachdem die für den Schriftspracherwerb relevanten Fähigkeiten des Hörens bzw. der auditiven Wahrnehmung gefördert und weiterentwickelt wurden, liegt nun das Augenmerk beim Umgang mit den Buchstaben auf der Formgestalt und deren Wiedererkennung bzw. dem visuellen Gedächtnis. Vordergründig werden nun im Schwerpunkt die visuellen und visumotorischen Fähigkeiten bezüglich der Formerfassung und Repräsentation der Buchstaben gefördert.
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Das „T“ suchen, finden... |
.. und wieder entdecken! |
Das „Kleine Alphabet“
"Das kleine Alphabet“ beinhaltet zwanzig Laute, die der Farbe des jeweiligen Anlautwortbildes entsprechend in Form von farbigen Lautpunkten und in einem weiteren Schritt mit farbigen Buchstaben visualisiert sind.
Da die Kinder zum gesprochenen Wort eine analoge Lautfarbfolge bilden, enthält das „Kleine Alphabet“ ausschließlich die Laute unserer Sprache, die eine lautgetreue Verschriftung ermöglichen, ohne dabei Rechtschreibregeln anwenden zu müssen.:
A E I O U ( Selbstlaute = Vokale )
dehnbar, dominierender Klang im Wort
L M N R S W (Mitlaute = Konsonanten )
dehnbar, lautieren mit Klang / Stimme, gut zu hören
F H Z ( Mitlaute = Konsonanten )
dehnbar, lautieren ohne Klang / Stimme
B D G ( Stopkonsonanten )
kurzes Lautieren mit Klang / Stimme,
nicht dehnbar,schwerer zu hören als stimmhafte Konsonanten, besonders bei Konsonantenhäufung
K P T ( Stopkonsonanten )
kurzes Lautieren ohne Klang / Stimme, nicht dehnbar,
schwerer zu hören als stimmhafte Konsonanten, besonders bei Konsonantenhäufung.
Mithilfe der Laute des „Kleinen Alphabetes“ können Wörter in lauttreuer Lautfolge „aufgeschrieben“ werden, weil Hören und Sehen in eindeutiger Weise aufeinander bezogen sind und die Kinder beim akustischen Durchgliedern eines Wortes den Laut einer Farbe im Verhältnis 1:1 zuordnen können.Bei der „Verschriftung“ der Konsonanten ist bei der Wortwahl darauf zu achten, dass ihr lautgetreuer Charakter im Wort erhalten bleibt. Bei „Zelt“ hört man am Wortende das „T“ deutlich. Aber beispielsweise bei „Wald“ oder „Hemd“ hört sich das „D“ wie ein „T“ an und der Auslaut kann nur über die Pluralbildung bestimmt werden.
Für die Anwendung der „Pilotsprache“ , bei der Wörter langsam lautiert werden bzw. einzelne Laute manipuliert werden, damit alle Phoneme erschlossen werden können, eigenen sich die stimmhaften Konsonatenund Vokale ganz besonders gut, die phonologische Bewusstheit der Kinder zu wecken und zu fördern. Sie eignen sich auch hervorragend bei ersten Übungen zur Lautverbindung, diese Laute zunächst auf langen und dann immer kürzer werdenden Wegen miteinander zu verbinden.
Bei der Reihenfolge der Lauteinführung sollten also die dominanten Eigenschaften der stimmhaften Konsonanten /Vokale zum Einen dazu genutzt werden, die Aufmerksamkeit der Kinder auf das bewusste Hinhören zu lenken . Zum Weiteren bieten sie die Möglichkeit, phonologische Informationen unter Zuhilfenahme von Klangpunkten und Bänder, der Leseperlen und der Silbenkarten mit Klanglinie auf immer kürzeren Wegen (=Zeit) zu rekodieren und synchron in Sprache umzusetzen.
Erst wenn die Kinder in der Lage sind, zwei Lautzeichen simultan (auf einen Blick) zu erfassen und zu rekodieren, wird das Lesen von Lautpaaren mit den Silben der Stopkonsonanten ( P B D T G K ) ohne Klanglinie weitergeführt, denn diese Laute werden kurz gesprochen und lassen sich mit anderen Lauten nicht „auf langen Lesewegen“ verschleifen.
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Birgid Heifer (*1957) |
staatlich anerkannte Elementarpädagogin
ZQ Psychomotorik
NLP Practitioner (DVNLP)
mit Schwerpunktausbildung Lern- und Leistungsstörungen
bei Kindern und Jugendlichen am Institut für neurolinguistisches Lernen in Bonn
Psychologische Beraterin ( zertif. EDA*)
Diplom Unternehmenstrainerin EDA*
(EDA Europäische Dienstleistungsakademie Dinslaken)
Veröffentlichungen:
Die Heifer-Methode:
Theorie –und Praxis der Laut-FarbverknüpfungEine ganzheitliche Methode zur Schulung der phonologischen Bewusstheit und frühen Förderung der Lese- und Schreibkompetenz im Kindergarten und Erstunterricht (erschienen im Habelt-Verlag-Bonn 2004)
Seit 2001 tätig in freier pädagogischer Praxis für Lern– und Sprachförderung in
Kindergarten und Grundschule;
Referentin in der Elternbildung und Fortbildungen für pädagogische Fachkräfte und Therapeuten (Erzieher, Lehrer, Sonderpädagogen, Motopäden, Lerntherapeuten)
2001-2002
zweijährige Entwicklungsarbeit zur Theorie und Praxis der Laut-Farbverknüpfung; Anwendung der ganzheitlichen Methode in der Lernförderung für Grundschulkinder, die Probleme beim Schriftspracherwerb im Erstunterricht haben; Weiterentwicklung der Methode zur praktischen Umsetzung in der elementar- pädagogischen Arbeit bzw. frühen Förderung der phonologischen Bewusstheit und Entwicklung der Lese-Schreibkompetenz im Kindergarten
Seit 2003
erweiterte Tätigkeit bzw. Anwendung der Heifer-Methode in der elementarpädagogischen Sprachförderung für Vorschulkinder ab 4,6 Jahren und Kinder in der Schuleingangsphase mit und ohne Migrationshintergrund
Seit 2004
wird die Methode von geschulten Erziehern in mehr als 50 Kindertageseinrichtungen in Bonn und Umgebung in der Sprachförderung von Kindern mit Deutsch als Muttersprache und als Zweitsprache ab 4,6 Jahren bis zum Schuleintritt und in Grundschulen zur Förderung leserechtschreibschwacher Kinder angewandt. Erste positive Rückmeldungen und Bestätigungen aus den Kindergärten und Grundschulen der betreffenden Einzugsgebiete bezüglich der vorschulischen Lese-Schreibkompetenzen der Kinder liegen bereits seit 2004 vor.
Darüber hinaus wird die Methode vom Psychologischen Institut der Rheinischen Friedrich-Wilhelms Universität Bonn wissenschaftlich evaluiert(vgl. Längsschnittstudie). Erste Ergebnisse zu den Erhebungen aus den Kindertageseinrichtungen liegen seit August 2006 vor. Die Evaluation wird in einer Langzeitstudie bis in die Grundschulzeit fortgesetzt.